Spider Smile
It's the sound, not the song. Zumindest am Anfang. Da sitzen Bernd Jestram und Ronald Lippok in ihrem Tonstudio im Herzen ihrer Stadt und drehen die Knöpfe, drücken die Tasten, verschieben die Regler. Bis sie einen Sound finden, bis ein Sound zu ihnen findet. Ein Rhythmus, eine Melodie, ein Geräusch. "Und dann schreiben wir das Lied ganz langsam hinterher". Für "spider smile" - und das hatte sich ja bereits auf "the needle is traveling", ihrem Debüt für Morr Music angedeutet in 2005 - haben Tarwater überraschend entschiedene Popsongs gefunden. Sie, das Elektroduo mit den gemeinsam Wurzeln in der Sub- und Avantgardekultur Ostberlins. So voll ihre Songs mit Anspielungen und Verweisen sind, so frei soll sich ihr Hörer fühlen, seine eigenen Geschichten mit denen von Tarwater zu verknüpfen. Die Sonne etwa, die im luftigen "arkestra" auf und immer wieder unter geht, scheint für jeden an einem anderen Ort. Der Song "arkestra" hat seinen Ursprung übrigens auf einer gemeinsamen Busfahrt mit Mitgliedern des Sun Ra Arkestra durch schottische Hügellandschaften. Auch so eine Geschichte, um die man nicht zu wissen braucht. Und die doch auch viel verrät über eine Platte, die viel von Räumen und Orten erzählt. Amerika, oder besser eine, nein viele Vorstellungen von Amerika sind ihr zentrales Motiv. "shirley temple" heißt gleich zu Beginn eine wolkenverhangene Elektro-Overtüre. Noch immer ist das Tonsstudio das Lieblingsinstrument von Bernd Jestram und Ronald Lippok. Und doch sind für "spider smile" eine ganze Reihe analoger Instrumente vor den Mikrophonen gelandet. Eine Mundharmonika zum Beispiel. Und mit ihr der Blues, der im Falle von Tarwaters "witchpark" zu einer dunklen Dub-Landschaft mutiert. Sumpfige Wälder, Aligatoren. Gitarren schicken gleich mehrere Songs auf den Weg, allen voran sicher das treibende "world of things to touch". An anderen Stellen werden Geigen pronounciert gezupft, verbreitet eine Oboe melancholiche Patina ("roderick usher"). Später dann das repetitive Spiel aus Wiederkehr und Veränderung, Song- und Soundwriting aus dem Geist der Modulation - ein Grundmotiv in der Musik von Tarwater ("when love was the law in los angeles"). Oder die einzige Coverversion des Albums, ein durch die Echokammer getriebenes "sweethome under white clouds" der Virgin Prunes. "Home is where the heart is", heißt es da einer Beschwörungsformel gleich. Zu diesem Album passt das ziemlich gut.